ES17 * REPORT


ES17 * REPORT

die Medaille, die eigentlich keiner haben möchte...

Wir sitzen im Airbus des Fluges TP 544 auf dem Weg von Lissabon nach Düsseldorf. Der Tag begann heute Morgen früh. Abfahrt vom Hotel um 6:00 Uhr, zum letzten Mal holte uns der Guide vom Korfballclub Benfica Lissabon ab, um uns zum Flughafen Lissabon zu bringen. Unsere Teammitglieder waren müde, die Nacht gestern wurde lang. Es war die Nacht der Frustbewältigung. Der SKC hatte etwas erlebt, was man nicht erleben möchte. Die Enttäuschung ist nach dieser Nacht nicht mehr so präsent, wie gestern nach dem Spiel in der Halle. Aber sie ist noch da.

 

„Wir haben ein grandioses Turnier gespielt. Wir sind über uns hinausgewachsen. Wir haben Korfball-Europa mit unseren Leistungen in Odivelas/Lissabon überrascht!“ Das waren die markanten Sätze, die  auch während der letzten Mannschaftsbesprechung nach der Finalniederlage in der Kabine fielen. Da waren die Gesichter einiger Spieler noch tränenüberströmt. Die Trainer versuchten, die Mannschaft zu trösten und wieder aufzubauen. Der Korfballgott war gestern nicht auf unserer Seite. Wer das Spiel gesehen hat, glaubt allerdings, dass es für Schwerin gar keinen Korfballgott gibt.

 

Ein Blick zurück: Was waren unsere Erwartungen vom Europa Shield 2017 in Lissabon? Wir waren in eine Gruppe gelost worden mit dem Titelverteidiger und dem Vizemeister. Dazu der heimische Vertreter aus Portugal, gegen den wir zwar zweimal siegen konnten, aber immer nach hartem Kampf und immer knapp.

Dazu eine durchschnittliche Leistung aus der Regionalliga, die uns eher nicht so euphorisch nach Lissabon reisen ließ.

Natürlich ist ein Turnier eine andere Welt und der Europa Shield ist ja fast zu einem „SKC-Spezial“ geworden. Wir nahmen vier Mal teil und standen immer auf dem Treppchen.  Insider waren sich sicher, dass wir hier anders auftreten würden, als zuletzt in der Liga.

 

Der Schweriner Korfball Club spielte anders als in der Liga. Schon der Turnierauftakt am Freitag gegen Bec/England zeigte, dass wir in Lissabon etwas vorhatten. Der Start war grandios. Wir führten zur Pause 4:7 und mussten uns zum Schluss mit einem 12:12 ins Golden Goal abgeben, dass wir dann verloren.

Die Leistung, die wir dort anboten, war allerdings schon mal ein erstes Signal.

 

Im Spiel 2 gegen den Titelverteidiger KC Barcelona führten wir die Gala fort und wir „servierten“ die Katalanen mit 15:18 ab.

Im 3. Spiel standen wir bereits vorher im Halbfinale. Das Spiel gegen CCCD Carnaxide/Portugal hatte nur noch statistischen Wert. Wir setzen alle Spieler ein. Florian Fischer trug mit 5 Körben nicht unerheblich zum Sieg bei.

 

Als Zweiter der Gruppe B trafen wir auf den Gruppensieger aus Pool A. Der portugiesische Vizemeister Quinta dos Lombos hatte in seiner Vorbereitung ein Trainingslager in England absolviert und alle Portugiesen rechneten mit einem Finale zwischen Bec und dos Lombos.

 

Schwerin führte bereits zur Pause mit 3:6 und als am Ende ein deutliches 7:15 auf der Anzeigetafel stand, gab es keinen Zweifel, dass der Schweriner KC hier um den Titel spielen würde. Wir siegten in einem Halbfinale mit 8 Körben Differenz!

 

Finalgegner war wiederum KC Bec aus England.

 

Das Finale

Die Vorbereitung zu diesem Spiel war gut. Wir kannten die Engländer genau, wir stellten gegen sie auf. Als wir mit 3:1 in Führung gingen, war das schon mal ein positives Zeichen. Mehr nicht, denn alle wussten, dass nicht nur in Länderspielen, sondern auch in Club-Spielen in diesem „Klassiker“ bis zur letzten Sekunde gekämpft wird.

 

Zur Halbzeit führten wir 6:3.

 

Nach der Halbzeit warf Bec 2 in Folge prompt schmolz der 3-Körbe-Vorsprung dahin und das Spiel entwickelte sich zu einem Korfball-Krimi. Nach ca. 28 Minuten Spielzeit, also 6 Minuten vor Spielende  glichen die Engländer zum ersten Mal aus. Das 7:7 machte uns nervös. Aber: wir gestatten den Engländern nie in Führung zu gehen. Lennart Schwirtz und Linda Untermann stellten zum 9:7 wieder den 2-Körbe-Vorspung her. Bec glich aus und am Ende der regulären Spielzeit stand das zweite Remis während des Spiels zu Buche.

 

Wir mussten erneut ins Golden Goal. 

 

Warum? Wir hatten Bec im Griff, Bec führte NIE. Wir hatten das Spiel unter Kontrolle. Einzig: wir warfen in Halbzeit 2 nur 3 Körbe. Wir liessen gegen Bec auch nur 9 zu. Unsere Verteidigung war excellent, aber das Fazit Spiels war einfach: wir hätten ein oder zwei Körbe mehr werfen müssen, damit der Shield einfach nach Castrop-Rauxel reisen konnte.

 

Wir waren nie in der SKC-Europa-Shield-Historie näher am Shield, als zu diesem Zeitpunkt. Wir hatten ihn praktisch schon in der Hand. Jeder der in Halbzeit 2 nicht getroffenen Korbwürfe war der Schüssel dazu. Der Schiedsrichter war nicht der souveränste, aber er war neutral. Wir lagen immer in Front und mussten jetzt ins Golden Goal.

 

Wenn jemand eine spannende Korfballdramatik schreiben wollte: hier wurde die Vorlage geliefert.

 

Jedes Team hat mindestens einen Angriff. Verlaufen beide korblos, gewinnt das Team, das den „Golden Korb“ setzt. Beide Teams trafen in ihren Basisangriffen nicht.

 

Der SKC beging dann ein unnötiges, weil hochgefährlches Foulspiel. Der Referee zeigt auf den 2,50 m Strafwurfpunkt.  Normalerweise ist das das Ende. Aber Benjamin King verwarf. Das Spiel war wieder offen. Und es dauerte noch 2 lange Minuten, bis es zu Ende ging. In der 4. Minute der Nachspielzeit setzte King diesmal erfolgreich an, verwandelte und Bec ging zum ersten Mal in diesem Spiel in Führung und gewann dann natürlich dieses Spiel, das eben hier und jetzt durch Golden Goal entschieden wurde.

 

Was auf dem Feld geschah, muss hier nicht beschrieben werden. Da unfassbare Freude, hier unbeschreiblicher Frust und Enttäuschung, die lange andauerte.

 

 Wir waren Vizemeister des 17er Shields und Gewinner der Silbermedaille. Aber eigentlich wollte sie keiner haben. Wir waren nie näher am Shield, als in Lissabon. Eine Silbermedaille war da überhaupt kein Trost.

 

SKC nach der Siegerehrung in Lissabon

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Dennoch: wir können stolz auf unser Team und unsere Leistung sein. Und heute sind wir das auch. Die Leistung, die der SKC in Portugal abgeliefert hat, war grandios. Niemand glaubte, dass wir zur Zeit nur Vierter in der Liga sind. Versuchen wir, den Elan aus Lissabon in die Regionalliga zu transferieren. Wir haben den deutschen Korfball würdig vertreten und ein Ausrufezeichen gesetzt.

 

Der Dank gilt an alle, die dazu beigetragen haben: Das Team, das vorbildlich mannschaftstreu gekämpft und gespielt hat, der Vorstand, der diese Reise ermöglichte, Sponsoren, die Trainer Rüdiger Dülfer und Martin Kamphuis, die minutiös jeden Gegner analysierten und die Taktik aufgaben, den Physiotherapeuten Ina Fenger und Susanne Schittkowski, die wieder einen schweren und zeitaufwendigen Job absolvierten, der neuen Teammanagerin Johanna Gnutt, die so souverän war, dass man dachte, sie mache den Job schon seit Jahren.

 

Ein Projekt wie den Shield schafft man nur im Team.

 

Dazu gehören auch unsere Fans, die noch nie so zahlreich dabei waren, wie 2017 in Lissabon. Daher gilt ein herzliches Danke auch an unsere Unterstützer. Ohne Euch wäre der Shield nicht das, was er für uns ist.

 

Das war das Ende der Berichterstattung vom IKF Europa Shield 2017 in Lissabon. Danke, daß ihr uns begleitet habt und auch in den verschiedenen Medien kommentiert und unterstützt habt. Der Shield 2017 ist Geschichte.

 

Danke für Eurer Interesse.

 

Jochen Schittkowski, Teammanager Reise und Presse

Quelle: TM Reise u PresseAutor: Jochen SchittkowskiVeröffentlicht am: 30.01.2017

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